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Care-Energy ist insolvent
Lange wurde darüber spekuliert, nun ist es offiziell: Der Energieanbieter Care-Energy ist insolvent. Wie das Amtsgericht Bremen am 17. Februar bekannt gab, wurde für drei Unternehmen der Firmengruppe ein Insolvenzantrag gestellt. Doch was bedeutet das nun für die Kunden? Der Marktwächter Energie beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wieso sind gleich mehrere Unternehmen von der Insolvenz betroffen?
Hintergrund ist die komplizierte Unternehmensstruktur des Energieanbieters: Hinter dem Namen Care-Energy steht nicht nur ein einzelnes Unternehmen, sondern eine ganze Firmengruppe. Laut Mitteilung des Amtsgerichts Bremen ist nun für drei Unternehmen ein vorläufiges Insolvenzverfahren eröffnet worden: die Care-Energy Holding GmbH, die Care-Energy AG und die Care-Energy Management GmbH.
Den Kunden des Energieanbieters dürften vor allem die beiden letzten Namen geläufig sein: Die Care-Energy AG ist innerhalb der Firmengruppe der eigentliche Energieversorger, also jenes Unternehmen, das Verbraucher mit Strom und Gas beliefert. Die Care-Energy Management GmbH kümmert sich dagegen um die Kommunikation mit den Kunden, beispielsweise um das Verschicken von Abrechnungen.
Das Besondere an dieser Doppelstruktur: Sie spiegelt sich auch im Vertragsverhältnis wider. Care-Energy-Kunden haben in der Regel gleich zwei Verträge: einen für die Energieversorgung (Vertragspartner: Care-Energy AG) und einen für sogenannte Energiedienstleistungen (Vertragspartner: Care-Energy Management GmbH).
Update vom 9. März 2017:
Inzwischen haben auch zahlreiche weitere Unternehmen der Firmengruppe Care-Energy Insolvenz angemeldet, darunter auch die UPG United Power & Gas GmbH & Co. KG, die Verbraucher mit Strom und Gas beliefert hat, bevor die Versorgung im Jahr 2015 von der Care-Energy AG übernommen wurde.
Zudem sind folgende Unternehmen betroffen: Care-Energy Netzbetriebs- und Infrastruktur GmbH, Care-Energy Netzbetriebs- und Infrastruktur GmbH & Co. KG, Family Office Kristek GmbH, Care-Energy Handel und Entwicklung Verwaltungs GmbH, Care-Energy Handels und Entwicklungs GmbH und Co. KG, NE Nord Energie GmbH, Care-Energy Verlag GmbH und K EINS Verlagsholding GmbH.
Eine gute Übersicht zur komplizierten Unternehmensstruktur der Care-Energy-Gruppe findet sich auf der Website des Bunds der Energieverbraucher.
Was bedeutet die Insolvenz der Care-Energy AG für die Versorgung? Werden die Kunden weiterhin beliefert?
Mit der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens hat das Amtsgericht Bremen auch einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, der sich ab jetzt um die Geschäfte der betroffenen Unternehmen kümmert. Der Insolvenzverwalter hat angekündigt, den Geschäftsbetrieb fortzusetzen. Die Kunden sollen also weiter mit Strom und Gas beliefert werden. Dementsprechend müssen sie auch ihre monatlichen Abschläge weiterhin zahlen. Dazu wird ihnen der Insolvenzverwalter eventuell eine neue Bankverbindung mitteilen.
Die Weiterbelieferung gilt allerdings nur für jene Regionen, in denen die Care-Energy AG überhaupt noch liefern kann. Dies ist lediglich in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, dem Saarland, den meisten Teilen von NRW sowie in einigen Regionen von Hessen der Fall. Hintergrund: Aufgrund von finanziellen Streitigkeiten mit den Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz und Tennet musste Care-Energy im Sommer 2016 in weiten Teilen Deutschlands die Stromlieferung einstellen. Das Unternehmen verlor daraufhin einen Großteil seiner Kunden; betroffene Verbraucher fielen in die sogenannte Ersatzversorgung.
Genau das würde nun auch den verbleibenden Kunden von Care-Energy passieren, falls die Belieferung in den nächsten Tagen oder Wochen doch noch eingestellt wird. Es muss sich also kein Kunde Sorgen machen, plötzlich ohne Strom dazustehen – selbst wenn die Ankündigung des Insolvenzverwalters nicht eintreten sollte und der Geschäftsbetrieb doch nicht fortgesetzt wird.
Die verbleibenden Kunden sollten sich allerdings darüber im Klaren sein, dass die Situation nun sehr unübersichtlich werden könnte: Wie oben bereits beschrieben, haben Care-Energy-Kunden in der Regel ohnehin zwei Verträge mit unterschiedlichen Vertragspartnern. Mit dem Insolvenzverwalter kommt nun noch ein dritter Akteur hinzu, der mit den Kunden Kontakt aufnehmen könnte. Verbraucher, die sich unsicher sind, ob sie in einer solchen Situation den Überblick behalten, und sich ein überschaubareres Vertragsverhältnis wünschen, sollten nach Einschätzung des Marktwächters Energie über eine Kündigung nachdenken.
Haben Kunden aufgrund der Insolvenz ein Sonderkündigungsrecht?
Die bloße Einleitung eines Insolvenzverfahrens ist noch kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Solange ein Energieversorger seine Kunden beliefert, sind diese weiterhin an den Vertrag gebunden und können ihn nur regulär beenden. Das bedeutet, es müssen die normalen Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen eingehalten werden. Bei Care-Energy beträgt die Kündigungsfrist in der Regel vier bis sechs Wochen; Einzelheiten finden sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Kunden bei Vertragsschluss erhalten haben.
Betroffene Verbraucher sollten zudem darauf achten, dass sie immer beide Verträge mit Care-Energy beenden, also sowohl den Versorgungsvertrag (Vertragspartner: Care-Energy AG) als auch den Dienstleistungsvertrag (Vertragspartner: Care-Energy Management GmbH).
Was bedeutet die Insolvenz für Kunden, die noch Geld von Care-Energy bekommen?
In den vergangenen Monaten haben sich viele Care-Energy-Kunden darüber beschwert, dass es auf ihrem Kundenkonto ein Guthaben gebe, das nicht ausgezahlt werde. Für die Betroffenen dürfte es nun nicht leichter werden, ihre Ansprüche durchzusetzen. Zwar können sie ihre Forderungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens anmelden, die Erfahrung mit früheren Firmenpleiten zeigt jedoch, dass Kunden am Ende oft nur einen kleinen Teil ihrer ursprünglichen Forderungen zurückerhalten. Zudem kann es Jahre dauern, bis ein Insolvenzverfahren abgeschlossen ist.
Für Kunden, die nach wie vor von Care-Energy beliefert werden und die sich sicher sind, dass ihr Konto ein nicht ausgezahltes Guthaben aufweist, kommt eventuell auch eine Verrechnung mit den aktuellen Abschlägen in Frage. Die Betroffenen könnten die monatlichen Zahlungen also solange einstellen, bis jene Summe erreicht ist, die ihnen laut der letzten Abrechnung definitiv zusteht. Auf diese Weise hätten die Kunden die Chance, ihr Geld zurückzubekommen, noch bevor das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet wird und das Guthaben Teil der Insolvenzmasse ist. Aufgrund des komplizierten Firmengeflechts von Care-Energy und den wechselnden Vertragspartnern ist dieses Vorgehen jedoch mit einigen Fallstricken und Risiken verbunden. Bevor sich Kunden zu diesem Schritt entscheiden, sollten sie sich daher unbedingt rechtlich beraten lassen, zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale.
Wie kann man seine Forderungen im Insolvenzverfahren genau anmelden?
Die Forderungen können schriftlich beim Insolvenzverwalter eingereicht werden. Allerdings sollten Verbraucher damit auf jeden Fall bis zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens warten. Verfrüht eingereichte Forderungen sind unwirksam und können nicht berücksichtigt werden. Schon jetzt macht es allerdings Sinn, seine Unterlagen zu ordnen und Belege zu sammeln. Dies macht es später leichter, die jeweiligen Ansprüche nachzuweisen.
Um den richtigen Zeitpunkt für Forderungen nachzuvollziehen, ist es sinnvoll, sich den genauen Ablauf eines Insolvenzverfahrens vor Augen zu führen. Das Verfahren besteht grundsätzlich aus zwei unterschiedlichen Stadien: dem vorläufigen und dem eigentlichen Insolvenzverfahren. Nachdem der Antrag auf Insolvenz bei Gericht eingegangen ist, wird zunächst einmal ein vorläufiges Verfahren eröffnet. Dies ist aktuell bei Care-Energy der Fall.
Während der ersten Phase des Verfahrens prüft der vorläufige Insolvenzverwalter die wirtschaftliche und rechtliche Situation des Unternehmens. Dies kann mehrere Wochen, eventuell sogar Monate dauern. Am Ende der Prüfung erstellt der vorläufige Verwalter ein Gutachten, auf dessen Grundlage dann darüber entschieden wird, ob das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet wird. Alternativ ist auch eine sogenannte „Abweisung mangels Masse“ möglich: Dies bedeutet, dass das Insolvenzgericht die Eröffnung des eigentlichen Verfahrens ablehnt, weil das verfügbare Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken.
Kommt es zur Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens, wird der endgültige Verwalter bestellt. Dieser ist meist mit dem vorläufigen Verwalter identisch und hat nun die Aufgabe, das vorhandene Vermögen zu verwerten und auf die Gläubiger zu verteilen. Zu diesem Zweck werden sämtliche Forderungen an das insolvente Unternehmen zusammengetragen.
Verbraucher haben nun die Möglichkeit, ihre Forderungen einzureichen. Dieser Schritt wird auch als Anmeldung zur Insolvenztabelle bezeichnet. Möglich ist die Anmeldung mit einem speziellen Formular, das den Kunden vom Insolvenzverwalter zugeschickt wird. Dieser Vordruck sollte unbedingt genutzt werden. Sollte das Formular ausnahmsweise einmal nicht zugeschickt werden, sollten sich Kunden etwa zwei Monate nach Eröffnung des eigentlichen Insolvenzverfahrens an das Büro des Verwalters wenden.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten: Um ihre Forderungen rechtzeitig anzumelden, sollten Care-Energy-Kunden unbedingt im Blick behalten, wann das eigentliche Insolvenzverfahren eröffnet wird. Dies ist beispielsweise auf dem Online-Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de möglich. Auch der Marktwächter Energie wird weiter über die aktuellen Entwicklungen berichten – um auf dem Laufenden zu bleiben, können Sie also auch einfach unseren Newsletter abonnieren.
Und was passiert im umgekehrten Fall? Worauf müssen sich Kunden einstellen, die laut Care-Energy Zahlungsrückstände haben?
In diesem Fall ist damit zu rechnen, dass der Insolvenzverwalter auf die Kunden zukommt, um die offenen Forderungen einzutreiben. Das Problem: Wie die bei der Verbraucherzentrale eingehenden Beschwerden zeigen, sehen sich Kunden von Care-Energy in vielen Fällen Forderungen gegenüber, die sie für unberechtigt halten. Bevor ein Insolvenzverwalter die Forderungen eines Unternehmens weiterverfolgt, muss er diese eigentlich zunächst überprüfen. Aufgrund der bisherigen Abrechnungspraxis von Care-Energy könnte es jedoch in vielen Fällen schwierig werden, den tatsächlichen Stand des Kundenkontos zu ermitteln.
Hintergrund: Die Unternehmensgruppe setzte über Jahre auf eine komplizierte Mischung aus sogenannter „Dauerrechnung“ und „Mehr-Mindermengenabrechnung“, die sich deutlich von der Abrechnungspraxis anderer Energieversorger unterschied und bei Verbrauchern immer wieder für Verwirrung sorgte. Zudem wurden teilweise über Jahre keine Abrechnungen erstellt und die monatlichen Abschlagszahlungen somit nie an den tatsächlichen Verbrauch angepasst. Darüber hinaus gibt es viele Fälle, in denen Kunden berichten, dass die von ihnen geleisteten Abschläge nicht korrekt erfasst wurden.
Angesicht dieser unübersichtlichen Gemengelage besteht aus Sicht der Verbraucherzentrale Niedersachsen ein beträchtliches Risiko, dass der Insolvenzverwalter sich auch mit nicht berechtigten Forderungen an Care-Energy-Kunden wenden könnte. In einem solchen Fall ist es wichtig, dass die Kunden der Forderung schriftlich widersprechen und gleichzeitig Belege vorlegen, die ihre Aussage unterstützen (beispielsweise Kontoauszüge, aus denen hervorgeht, dass die Abschläge regelmäßig gezahlt wurden).
Wer muss überhaupt damit rechnen, Post vom Insolvenzverwalter zu bekommen?
Insolvenzverfahren sind grundsätzlich nicht auf Personen beschränkt, die aktuell Kunden eines Unternehmens sind oder es bis zu einem gewissen Zeitpunkt waren. Der Insolvenzverwalter von Care-Energy könnte sich also auch bei Verbrauchern melden, deren Vertrag mit dem Energieanbieter längst beendet ist. Oder anders ausgedrückt: Theoretisch könnte sich jeder Verbraucher, der in der Vergangenheit Kunde von Care-Energy war, Nachforderungen gegenübersehen. Dies gilt umso mehr, wenn man sich vor Augen führt, dass Care-Energy in der Vergangenheit viele Kündigungen nicht akzeptiert hat und für den Insolvenzverwalter somit unter Umständen gar nicht ersichtlich ist, dass ein Vertrag beendet wurde.
Kunden, die einen Brief bekommen, der darauf hindeutet, dass ein eigentlich bereits gekündigter Vertrag fälschlicherweise für noch nicht beendet gehalten wird, sollten auf die alte Kündigung verweisen und vorsorglich noch einmal kündigen.
Verbraucher, die bereits seit Sommer 2016 nicht mehr beliefert werden, ihre Vertrag mit Care-Energy jedoch nie offiziell beendet haben, sollten dies dringend nachholen. Aufgrund des Lieferstopps haben Kunden ein außerordentliches Kündigungsrecht. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.
Was sollten Kunden tun, die keinen Brief vom Insolvenzverwalter, sondern von einem Inkassounternehmen erhalten?
In den ersten Wochen nach der Insolvenz von Care-Energy haben viele aktuelle und ehemalige Kunden berichtet, dass sich das Unternehmen EWD Inkasso bei ihnen gemeldet habe, um angebliche Zahlungsrückstände im Auftrag von Care-Energy einzutreiben. Der Marktwächter rät, sich durch die Androhung eines Inkassoverfahrens nicht unter Druck setzen zu lassen und unberechtigte Forderungen auf keinen Fall zu bezahlen. Stattdessen sollte das Inkassounternehmen schriftlich darauf hingewiesen werden, dass die Forderung bestritten wird und die Kunden auf eine Nachricht des Insolvenzverwalters warten.
Wichtig zu wissen: Wenn Verbraucher nicht freiwillig zahlen, haben Inkassobüros keine weiteren Möglichkeiten, das Geld einzutreiben. Rechtliche Schritte kann immer nur jenes Unternehmen einleiten, dem die Forderung zusteht (bzw. dessen Insolvenzverwalter).
Auch von den angedrohten Inkassokosten sollten sich Kunden nicht einschüchtern lassen: Wenn die Forderung nicht berechtigt ist, müssen die Kosten für das Verfahren auch nicht gezahlt werden.
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letzte Aktualisierung: 10. Mai 2017