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Startschuss für den Marktwächter Energie
Seit dem 10. Juli ist das Projekt „Marktwächter Energie für Niedersachsen“ online. Weitere Informationen zum Startschuss des Projekts wie die dazugehörige Pressemitteilung von der Verbraucherzentrale Niedersachsen und dem Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie eine Infografik zum Download finden Sie hier.
Vertragsabschlüsse per Telefon, nicht gewährte Bonuszahlungen oder fehlerhafte Abrechnungen – seit der Liberalisierung des Energiemarktes häufen sich die Beschwerden über unlautere Geschäftspraktiken der Anbieter und undurchsichtige Angebote. Allein im Bereich Strom gibt es inzwischen mehr als 1100 Anbieter. Um das Marktgeschehen transparenter zu machen und Fehlentwicklungen aus Verbrauchersicht aufzuspüren, hat Niedersachsen als erstes Bundesland jetzt einen Marktwächter Energie bei der Verbraucherzentrale installiert.
„Das ist ein zukunftsweisender Schritt zur Stärkung des Verbraucherschutzes und der Marktmacht des Verbrauchers“, sagte Verbraucherschutzminister Christian Meyer bei der Vorstellung des Marktwächters. Die bei der Verbraucherzentrale eingehenden Beschwerden werden zukünftig systematisch erfasst und ausgewertet. „Problematische Entwicklungen können so frühzeitig erkannt und an Politik, Öffentlichkeit und Regulierungsbehörden weitergegeben werden“, so Petra Kristandt, Geschäftsführerin der Verbraucher-zentrale Niedersachsen (VZN). Daneben können bei rechtswidrigem Anbieterverhalten Abmahnungen oder Unterlassungsklagen kollektiv erhoben werden.
Drei typische Beispiele für Beschwerden von Verbrauchern
Als Beispiele für unlautere Geschäftspraktiken nannte Petra Kristandt:
Während der telefonischen Bewerbung zu einem neuen Tarifangebot werden beiläufig sensible Daten wie die Zählernummer und der Name des alten Energieversorgers erfragt. Obwohl kein Anbieterwechsel vom Verbraucher gewollt ist, erhält er eine Vertragsbestätigung für einen neuen Liefervertrag.
Auch die Tricks der Anbieter, versprochene Boni nicht auszuzahlen, sind vielfältig. Der vom neuen Stromversorger zugesagte Bonus taucht in der Abrechnung dann einfach nicht auf.
Für die Verbraucher ist es schwierig, die einzelnen Kostenpunkte ihrer Abrechnung nachzuvollziehen. So bekam ein Kunde nach der ersten, falschen Abrechnung eine korrigierte Version, die noch unübersichtlicher war, mit unterschiedlichen Zählerständen und Abrechnungszeiträumen.
Seit Kurzem stehen bei der Verbraucherzentrale als „Marktwächter“ vier neue Mitarbeiter bereit, um die eingehenden Beschwerden auszuwerten. Ergänzt wird diese Analyse durch eigene Marktchecks und Umfragen sowie ein interaktives Internetangebot (www.marktwaechter-energie.de).
„Die Marktbeobachtung konzentrierte sich bislang eher auf Entwicklungen der Anbieterseite“, so Minister Meyer. Dadurch fehle der Blick auf das „reale“ Marktgeschehen, wie es die Verbraucher erfahren. Diese Lücke werde mit dem Marktwächter geschlossen. Das Land stellt für den Marktwächter Energie 250.000 Euro pro Jahr zur Verfügung.
Viele seriöse Anbieter, aber auch einzelne schwarze Schafe
„Der neue Wettbewerb am Energiemarkt ist aus Verbrauchersicht zwar grundsätzlich positiv“, so Petra Kristandt, „im Schatten der vielen seriösen Anbieter treten aber immer wieder schwarze Schafe in Erscheinung. In unserem Beratungsalltag haben wir es häufig mit Haustürgeschäften, unlauterer Werbung oder fehlerhaften Jahresabrechnungen zu tun.“ Die Arbeit der Marktwächter sei jedoch klar von behördlichen Aufgaben wie etwa der Preismissbrauchskontrolle abgegrenzt. Wichtige Themen des Marktwächters sind auch der Anbieterwechsel und mehr Transparenz beim Wechselprozedere oder unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Minister Meyer: „Der Marktwächter hilft, Ungleichgewichte im Markt zu beseitigen, indem Transparenz und Vergleichbarkeit erhöht sowie Möglichkeiten einer effektiven Rechtsdurchsetzung geschaffen werden. Es darf hierbei aber nicht darum gehen, Wirtschaft und Verbraucher gegeneinander auszuspielen.“ Meyer betonte, dass der Marktwächter Energie von allen Fraktionen im Niedersächsischen Landtag unterstützt werde. „Unser Ziel ist es, diese Marktwächterfunktion gemeinsam mit anderen Bundesländern weiter zu entwickeln.“
Zum Hintergrund: Auf Bundesebene wurden in Zusammenarbeit mit dem Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv) die Marktwächter-Projekte „Digitale Welt“ und „Finanzmarkt“ gestartet. Mit dem Marktwächter Energie hat Niedersachsen nun ein zusätzliches Alleinstellungsmerkmal und erfüllt eine weitere Vorgabe des Rot-Grünen Koalitionsvertrags.